Ich hatte neulich einen sehr niedlichen Traum:
Jemand liest mit dem größten Vergnügen die Stories auf meiner Homepage -
Erinnerungen, Anekdoten, Histörchen.
Die Vorstellung gefällt mir sehr gut, da ich schon lange den Plan habe, genau solche Geschichten zu schreiben - natürlich vor allem für mich selbst.
Schon lange bereite ich mich zu dieser Tat vor, endlich komme ich jetzt dazu, sie zu verwirklichen.
Träume soll man nie auf die leichte Schulter nehmen.
Wie denn?
Erst habe ich in Tschechisch geschrieben, um die Muttersprache nicht ganz zu vergessen. Vielleicht auch, weil ich in den langen Jahre der Emigration von meiner Sprache eine ganz andere Sicht bekommen habe. Es ist heute der Blick aus der Fremde. Der beinhaltet eine kuriose Art von Patriotismus.
Um welche Art es sich handelt, ist mir noch nicht klar. Ich hoffe, das später erklären zu können, auch mir selbst.
Patrioten verlassen doch normalerweise das eigene Land nicht.
Es scheint mir, als wenn ich mein Vaterland (ich glaube, das heißt korrekt: Heimat) damals in dem Jahr Neunundsechzig mit auf die Reise genommen hätte und es jetzt immer bei mir ist. Ich trage ES mit mir, so wie ich auch alle meine Saxophone mit mir herumschleppe, ich in sie reinpuste und hoffe, dass was heraus kommt, das vielleicht auch etwas Positives mit mir anrichtet. Gibt es außer der Tatsache, dass ich davon lebe, irgendeinen Sinn?
Ich hätte ja Zuhause bleiben und auf die ganzen Einflüsse des Lebens in der Fremde verzichten können.
Es gibt keine Möglichkeit diese Variante zu überprüfen.
Vielleicht wäre ich dort schon lange tot.
Eigentlich war ich es fast nach 1968. Es ging den Berg runter. In dieser Zeit war für mich der wichtigste Auftrieb nur mein Überlebenswille, aus der Finsternis wieder ans Licht zu kommen. Die imperialistischen Kulturen legal besichtigen zu dürfen – schon das war für die Einheitspartei der CSSR zu gefährlich. Jazz ebenso. Er war zwar nicht mehr so ganz verboten aber dafür durch Inzest gefährdet. Ach, Ihr Genossen, wie ich Euch verstehe! Ihr wolltet uns vor dem Krach der verschieden Kulturen schützten. Die Gefahr war damals klar. Man musste mehrere Armaden mobilisieren.
Und ich?
Angst vor Eintönigkeit.
Lust auf andere Kulturen.
War es nicht eine logische Folge, dass ich erst dann überall in der Welt mit meiner Art der Musik arbeitete, als ich mich von der so genannten „Macht des Proletariats“ losgerissen hatte?
Man kann es auch „Kulturen-Mix“ nennen.
Und es ernährt mich.
Trotzdem: Vorsicht!
Es besteht der Verdacht, dass es sich hier gleichzeitig um etwas viel Einfacheres handelt. Die Resultate muss ich erst abwarten. Die werden letzten Endes kommen. Oder eben nicht.
Ich möchte nicht sein wie neugierige Eltern, die das Geschlecht ihres Kindes, seine Schönheit und Klugheit Monate bevor es geboren wird schon kennen wollen oder wie ein Greis, der schon beschreibt, wie es in der anderen Welt aussieht.
Allenfalls freue ich mich auf die therapeutische Tätigkeit, die ich durch die Erinnerungen auf mich genommen habe. Der Versuch, mich daran zu erinnern, was mich mein ganzes Leben lang so verwöhnt hat, könnte eventuell auch eine kleine Gebrauchsanweisung dazu sein, wie man die Sache zu Ende bringen kann.
Vorsicht 2:
Da alles noch nicht klar ist, sollte niemand jetzt schlau weiterdenken.
Jeder, der schon jetzt weiß, vorüber ich schreiben werde, hat Leider Gottes noch gar nichts begriffen.
Der Weg:
Ich weiß schon, dass ich Dasselbe in Tschechisch und in Deutsch schreiben werde. Die Geschichten werden sich aber anders entwickeln. Auch auf diese Wandlungen freue ich mich.
So viele Sprachen Du sprichst, so viele Menschen bist Du. (Tschechisches Sprichwort.)
Warum soll der Eine in mir nicht den Anderen ansprechen?
Zum Beispiel:
„Na, schon wieder suchst Du die Momente Deines Lebens die Du gern jemandem erzählen möchtest?“, frage ich ihn hinterhältig.
Schade.
Die Frage war überflüssig, oberflächlich und ungenau.
Nicht nur Momente, nicht nur erzählen.
Nicht so etwas, der Nimmersatt, er möchte für sich einen Index haben, ein Inhaltsverzeichnis, ein Register über Assoziationen in seinen eigenen Kopf einbauen.
Es funktioniert so:
Du sagst ein Wort, irgendeinen Ausdruck und siehe da, Dein Assoziations-System (AsSy) organisiert für Dich eine Anekdote aus dem Leben, aus Deinem Leben versteht sich, die sich mit diesem Stichwort in irgendeiner Weise verknüpft
Möchtest Du doch ein Stichwort?
Weiß ich nicht, vielleicht,
eigentlich sehr gern
Danke, her damit!
Was sagt Dir die Bezeichnung Troubadour - so spontan gleich aus dem Stand?
Oh je, das ist einfach: Ein Club in London, an der Kreuzung Earl´s Court. Mensch, das waren noch Zeiten.
Ok, das ist gelungen. Ich stelle fest, dass Dich Deine prima Erinnerung irgendwie erwärmt hatte.
Moment,
der Ausdruck „prima Erinnerung“ ist in diesem Fall nur eine banale Verkürzung dessen, was in Wirklichkeit ein total verblüffendes, grundsätzliches, unersetzliches, wertvolles und enorm einflussreiches Erlebnis war und….
Denkst Du jetzt wirklich, dass Deine Geschichte heute noch jemanden interessiert, die dazu noch aus den Siebzigern stammt?
Interessiert?
Siebzigern?
Das Jahr spielt doch keine Rolle. Und so intim sind die Geschichten doch auch nicht. Auch wenn jemand den Sinn des eigenen Lebens für sich perfekt finden und beschreiben kann, braucht er immer noch Fragen zu den Dingen, die er selbst nie erleben musste. Man lernt nie aus. Ich erlebe solche Menschen täglich. Nichts für ungut, aber es ist immer ein gewisser Neid dabei. Und auch Neugier. Wenn Dich jemand das fragt, was fast alle wissen wollen, nämlich woher die Musik bei Dir kommt, einem Autodidakten – solche Phänomene kann ich nicht erklären. Aber wie wäre es mit einem Umweg über das Unbewusste? Das schriftliche Nachdenken über das Meiste, was einem Autodidakten im Leben zugestoßen ist und ihn geprägt hat, kann einen aufmerksamen Leser ein wenig über die Motive aufklären. Das ist aber auch schon alles. Er wird dann das Geschriebene wahrnehmen und vergleichen. Übrigens geht es mir genauso. Von einer klaren Logik keine Spur.
Und als Amateurerzähler? Ich werde es auch dann akzeptieren, wenn ich die volle Wahrheit trotz aller meiner Bemühungen nie erfahren werde.
1972-73 London – EARL´S COURT
Der Club namens TROUBADOUR.
Dir bleibt, wie viele andere Orte Du auch besucht hast, optisch eine nur sehr unscharfe Wahrnehmung im Gedächtnis haften. Wie man von der Straße aus in den Club hinein kam, ist Dir nicht mehr ganz klar.
Dennoch: Bei der Erinnerung an „Troubadour“ registrieren Deine Sinne auch nach so vielen Jahren immer noch diesen starken Duft von Kaffee beim Eintreten, der im oberen Bereich herrschte. Die Existenz des eigentlichen Clubs, der sich unten befand, hat hier noch nichts verraten. Erst in einer Ecke hinter der Theke stand eine kleine Wendeltreppe. Es war eng und Du musstest vorsichtig hinunter mit Deinem Saxophonkoffer. Wenn Dich Dein Gedächtnis nicht trügt, verschwand dort unten, am Ende der Treppe auch der Kaffee-Duft. Er wurde fünffach ersetzt durch dicken, blauen Rauch.
Eines ist auch heute noch sofort klar, es war nicht nur Tabak, den Deine Nase wahrgenommen hat.
Durch den Dunst sah man, dass der Raum voll war. Am langen Ende dieses Raumes sahst Du ein kleines Podium. Die Bezeichnung „langes Ende“ ist hier nicht wörtlich gemeint, der untere Bereich war noch kleiner als das duftige Café da oben.
Irgendwelche Bilder oder Plakate an den Wänden? Gedächtnislücke.
Es handelt sich bis jetzt nur um einen allgemeinen Eindruck von dem Ort. Wie wäre es, sich an irgendetwas Konkretes zu erinnern?
Gut, wie siehst Du Dich selbst in diesem Raum?
Lass uns übertreiben.
Stellen wir uns vor, dass Du Dich dort in diesen Raum sehr gebeugt bewegt hast.
Wieso, wegen des Raums?
Ja, in diesem Zusammenhang ist wichtig zu notieren,
dass Du Dich dort nicht unbedingt als gebeugter Mensch gefühlt hast.
Das ergibt natürlich für Manche einen Widerspruch.
Nicht für uns.
Dennoch ist es richtig, sich hier die Bedingungen vorzustellen.
Die Fähigkeit, andere Möglichkeiten zu suchen und zu finden, kann Dir doch niemand abstreiten. Dein damals noch gerade neuer Freund und Musikpartner Jesse, passte in diesen Raum besser, nicht nur wegen seiner kleineren Statur, sondern hauptsächlich weil er zur der Zeit einer der gerngesehenen amerikanischen Songwriter war.
Dort.
Jesse bewegte sich in dem berühmten Klub „Troubadour“ sehr natürlich.
Solche Freunde und Partner zu haben, hat dir geholfen, sich besser zu orientieren.
Was ist noch zuzufügen?
Auf dem kleinen Podium spielte man. Dahinter war eine kleine Tür, die zur Flucht in die Pause oder nach dem Auftritt als Ausgang gedient hat. Du bist da hindurch in eine Welt gekommen, wo das Publikum Dich nicht mehr verfolgen konnte, ein sogenannter „Escape“.
Auch das „Örtchen“ verdient erwähnt zu werden, nicht weil es die kleinste derartige Zuflucht war, die Du je erlebt hast, nicht weil hier der Marihuana-Duft absolut dominierte. Das war in dieser Zeit zu banal, um sich heute noch damit zu beschäftigen. Nein, etwas anderes hat sich aus dieser Sakristei der Londoner Unterwelt in Dein Gedächtnis für immer eingeschrieben. Es sind die regelmäßigen Treffen mit einer Legende. Und Du, der Ignorant, hast es genommen, als wäre es das Selbstverständlichste unter unserer Sonne.
Kein Respekt fiel Dir ein, während Du mit einem Typ gequatscht und gespielt hast, der in dieser besagten Zeit schon eine große Persönlichkeit in der englischen Musikszene war. Alexis Korner war eben ein unheimlich netter Mensch. Er spielte mit Euch und sang Blues auf diesem kleinsten Podium der Welt und Dir war es egal, dass er schon an der Wiege der Rolling Stones und anderer britischer Zelebritäten gestanden war. Ein durch die Kommunisten in der CSSR Dir aufgepfropfter Phlegmatismus, hat Dir in dieser Zeit dazu geholfen, Dich normal zu verhalten. Was für einen Paradoxon!
Alexis, Blues-Sänger, zur Hälfte griechischen Ursprungs, hat sich enorm für Jesse’s aber auch Deine Geschichte interessiert. Er kam fast regelmäßig dorthin und hat Dich auch zu seinen anderen Auftritten eingeladen, wenn sein Saxofonist nicht konnte und auch zu Weihnachtskonzerten für Kinder.
Schade, dass aus dieser Zeit keine Aufnahmen existieren. Musik verschwindet, wenn Du sie nicht festhältst.
Wieso ist uns das alles gerade in dieser Form im Gedächtnis haften geblieben? War es nicht anders? Wieso haben wir gewisse Chancen nicht besser akzeptiert? Ist alles wirklich so gewesen, wie wir uns es heute vorstellen? Hat unser Gedächtnis einen mysteriösen Deal mit unserer Phantasie gemacht? Hat uns schon damals unsere Vorstellungskraft getäuscht?
Eine Rolle spielen kann auch der Fakt, dass Du in dieser Zeit ab und zu LSD zu Dir genommen hast. Vielleicht hindert Dich die damalige Pseudosinnenlust heute daran, Dich an völlig normale Lebenssituationen zu erinnern? Das hast Du davon: Jetzt suchst Du die Zusammenhänge und hoffst, dass Dir jemand zu Hilfe eilen wird.
Tatsächlich gibt es einen Zeugen, der damals direkt dabei war. Nur er kann, wenn er will, einen Bericht aus seiner Sicht abgeben.
Warten wir ab, ob er es macht.
Dann vergleichen wir.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ulf G. Stuberger
sehr bedanken ! Ohne ihn wäre die Geschichte nur ein Versuch geblieben.
http://www.stuberger.de/index2.html
http://www.alexiskorner.com/
http://www.troubadour.co.uk/
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